Habibi Funk

13. Mai 2019 Gedruckt, Web

Der Berliner Labelmacher und DJ Jannis Stürtz veröffentlicht auf seiner kleinen Plattenfirma Habibi Funk alte arabische Funkmusik neu. Ein Gespräch über Postkolonialismus in Beirut, wo er regelmäßig auflegt.

Jannis Stürtz, Sie waren sind anderthalb Tage in Beirut. In so einer kurzen Zeit, was lassen Sie hier und was nehmen Sie mit aus der Stadt – musikalisch gesehen?

Jannis Stürtz: Vor Ort lasse ich die Hälfte meines Gepäcks in Form von Schallplatten, die ich bei Plattenläden auf Kommission abgebe. Zurück nehme ich hauptsächlich Kassetten. Ich habe den Musiker Issam Hajji getroffen, von dem wir zwei Songs lizenziert haben. Und der hat mir ganz viele alte Tapes gegeben von Bands, mit denen er befreundet war. Das ist immer so ein ganz guter Recherchestartpunkt – tatsächlich sind Kassetten das Format, in dem im Libanon in den achtziger Jahren die spannenderen Sachen veröffentlicht worden sind als auf Vinyl.

Ich versetze mich nun in einen Künstler, der vor 40 Jahren Alben veröffentlicht hat. Jetzt findet die einer und sagt, er möchte diese neu herausbringen. Wie ist die typische Reaktion der Künstler?

Der Großteil sind Künstler, die keine ökonomischen Erfolge hatten, vielleicht waren sie nicht mal Profimusiker. Da ist die Überraschung natürlich groß. In einigen Fällen können wir ja auch nicht mehr mit den Künstlern verhandeln, weil sie längst verstorben sind, dann wenden wir uns an deren Familien. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir einen Künstler gefunden haben und der gesagt hat: Nö.

Was war die absurdeste Reaktion?

Die Tochter des Bruders macht uns die Tür auf, sie rief ihre Tante an und meinte, jemand sei wegen ihres Bruders da – der nicht mehr lebt. Und diese Schwester des Künstlers hat voll Panik bekommen, dass der Künstler während seiner Zeit in Europa Kinder gezeugt hätte und wir jetzt nach unserem Vater suchen. Das fand sie anscheinend sehr viel realistischer, als dass jemand wegen dessen Musik vorstellig wird.

Wie gehen Sie mit dem Thema „kulturelle Aneignung“ um?

Ich persönlich sehe es nicht so, dass es von vornherein nicht möglich ist, dass jemand mit dem Hintergrund, den ich habe, die Arbeit macht, die ich mache. Aber bei dieser Austauschbeziehung zwischen europäischen oder nordamerikanischen Labels und außereuropäischen KünstlerInnen ist oftmals noch so eine postkoloniale Komponente dabei, sodass Ausbeutungsschemata zumindest ein Stück weit wiederholt werden. Wir haben deshalb die grundsätzliche Entscheidung getroffen, dass wir nur lizenzierte Sachen veröffentlichen. Die Basis unserer Deals ist: Wir teilen 50:50, zahlen einen Vorschuss auf die zu erwartenden Lizenzeinnahmen. Der Künstler behält seine Masterrechte, und wir lizenzieren die nur für meistens fünf bis sechs Jahre.

Das Interview hat die taz abgedruckt und online veröffentlicht.